Dolphin Address 15
8. April 2005
Als Student der Ethnomethodologie (das ist eine Art Anthroprologie der eigenen Gesellschaft) habe ich einmal eine `Werkzeug-Theorie`formuliert. Problemlösungsstrategien entstehen oft spontan aus Techniken und Methoden des Arbeitslebens. `Was man Tag für Tag tut hat seine Auswirkungen auf das Privatleben`.
Nachdem ich tagelang Steine geschleppt habe, fühlen sich die Tasten meines laptops wie ein Haufen Schindeln an, ungleichmässig, rau und klobig. Selbst der Boden, auf dem ich laufe hat etwas Sorgen erregendes. Es gibt wirklich keine Verstauchung fördernden Steine in Mick&Marys kleinem shop, aber meine Balance scheint sich total auf das Auf und Ab rings um das Steinnest eingestellt zu haben. Es fühlt sich an, als hätte mein Körper die Umwelt motorisch absorbiert und als ließe er das völlig unaufgefordert wieder los. So auch wenn man in die Sonne schaut, dann bleibt ein heller Fleck für ein Weile auf der Retina. Solch ein Experiment wird auf die Seele projiziert und wird Teil des sensorischen Arsenals.
In meiner Auseinandersetzung mit diesem Thema habe ich eine umfangreiche Sachkenntnis erworben. Ist ein Stein zu schwer, um ihn anzuheben, rolle ich ihn in meine Fischkiste und ziehe diese mit Hilfe eines Seils über das Gras. Am Nest rolle ich ihn über die anderen Steine nach oben. Auf diese Weise habe ich nur die Hälfte des Gewichts anzuheben. Ich bestehe auf die Stabilität meiner Steine und darf gar nicht daran denken, dass irgend jemand eine Steinlawine auf den Kopf kriegt. Aus diesem Grund ist mein Verstand extra aufmerksam, länglich-konisch geformte Steine zu finden. Sie passen im allgemeinen gut zwischen die anderen und verzahnen sie miteinander.
Runde Steine sind schöner anzuschauen als die groben Brocken, aber sie haben nun mal die Tendenz wegzurollen, weswegen ich sie fast ausnahmslos für den oder nahe am Boden verwende. Noch immer gibt es einen leichten Durchzug zwischen den Blöcken auf der Ozeanseite, aber ich halte noch Ausschau nach passenden Stücken. Seitdem dieser Bus mich beglückt, habe ich mich gefragt, warum die Hintertüren so konstruiert sind, dass kräftige Windturbulenzen in den oberen Türöffnungsspalten entstehen. Ich werde fast weggepustet, obwohl ich den Bus immer mit dem Kopf in den Wind stelle.
Es könnte ein so schön geschützter Sitzplatz sein. Jetzt habe ich auf jede Seite ein Stück Gummi von der Rolle, die ich für die Wasserflügelsegel angeschafft habe, zwischen den Bus und die Tür geklebt. Das geht perfekt. Im unteren Bereich der Türen ist eine Aussparung für die Rücklichter, und auch dort zieht es, wenn sie geöffnet sind. Ich hatte die Idee, verschiebbare Multiplex-Platten zu montieren, aber erstmal werfe ich einen Blick in Ozeans Schatzkiste. Ich habe mehr Befriedigung, wenn ich eine Lösung finde, als wenn ich sie im Laden auf Maß fertigen lasse.
Ein weiteres Problem war, dass ich Schwierigkeiten hatte in den hinteren Teil des Wagens zu steigen, wenn mein Tisch ausgeklappt war. Dann gab es nur sehr wenig Raum zwischen Tisch und (Sitz)Bett, und da ich auf Grund der Kälte ziemlich dick angezogen war, gab es kaum ein Durchkommen. Es kostete ein kleines Bisschen Tischfläche, aber jetzt hat der Eingangsteil eine sehr fließende Form, die es mir viel leichter macht einzusteigen. Und wenn ich einmal sitze, kann ich mich sehr leicht mit meiner Gesamtheit an die Originalbreite anpassen.
Zwischen Problem und Lösung gibt es eine kontinuierliche Interaktion. Das witzige daran ist, dass ein Unbehagen erst zum Problem wird, wenn es auch eine Lösung zu geben scheint. Ich hätte nichts dagegen, einen Spaziergang auf dem Meer zu machen, aber das ist schlicht unmöglich, man kann nun mal nicht auf Wasser laufen. Vielleicht auch besser so, denn bei diesen Wellen, würde man sowie ständig auf die Nase fallen.
Jan Ploeg, Fanore Wiese, 8. April 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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