Dolphin Address 25
08. Juni 2005
Am frühen Morgen wird Verenas Balkon von der Sonne verwöhnt. Umgeben von Veilchen in allen Farben des Regenbogens, lasse ich den Tag langsam in mich einsinken. Polyphonische Vogelgesänge hallen an den drei Stockwerken der umgebenden Häuser wider, manchmal von Stimmen zur Arbeit hastender Menschen untermalt. Die dünnen Waschbrettwellen auf dem Neuköllner Schifffahrtskanal werfen das verschlafene Sonnenlicht zurück. Berlin s´éveille.
Die Stadt hat jetzt ein ganz anderes Gesicht.
In Laub gehüllt hatte ich sie noch nicht gesehen. Es gibt einen wahrlich vitalen Unterschied, verglichen mit der Unfreundlichkeit des letzten Winters. Sie zeichnet die Grimmigkeit der rechten Winkel weich zu fließend, schwingenden Bewegungen und hüllt harte Ziegel in ein zartes Glühen. Sogar der unbestimmte Klang immerwährenden Verkehrs wird zu Kleinstadtproportionen gedämpft.
Wir gehen in unsere letzte Woche. Die Vorbereitungen für die Bretagne sind in vollem Gange. Ich hätte gerne einen zweiten Dachkoffer, um unseren Lebensraum noch zu vergrößern, und wir haben definitiv etwas in Bezug auf Schuhe zu unternehmen. Kein Zweifel, es wird wieder die guten Ideen in letzter Minute geben, von denen wir auf Grund von Zeitmangel einige werden fallenlassen müssen. In Bezug auf das Pixelproblem ist die letzte zermürbende Schlacht in Sicht.
Wir werden den Kamerabody in Berlin kaufen und die Objektive in Holland. Der Camcorder war Liebe auf den ersten Blick, aber ein Unterwassergehäuse ist noch immer ein Problem.
Noch ein Tag, um Freunden beim Streichen zu helfen, lose Enden zu verknüpfen, hier und dort auf Wiedersehen zu sagen und dann die Nase in den Wind zu drehen und uns in die Arme der Schwerkraft zu werfen. Was die Veilchen angeht, so hoffen wir, es wird hin und wieder regnen, damit das wenigstens nicht bei uns fallt.
Jan Ploeg, Berlin, am 8. Juni 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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