Dolphin Address 17
20. April 2005
Die Wellen türmen sich heute wie aus dem Nichts auf. So weit ich sehen kann, gibt es nur ein zartes Kräuseln, ein Ozean, ruhelos außerhalb der Wahrnehmung. Nichts, dass solche Wassermonstrositäten rechtfertigen würde, die sich 100 Meter vor der Küste anfangen aufzubauen. Sie nähern sich in einzelnen Linien und brechen sich fast simultan in türkise Bögen, ihre irren Schaumkronen vor sich her und über den Rücklauf ihrer Vorgänger schiebend.
Wo die Wellen auf die Terrassen treffen, gibt es dumpfe Geräusche und Gischt, die manchmal, Geysiren ähnlich, zum Himmel empor schießt. Auf dem steinigen Strand jedoch, wird der Klang brechender Wellen durch kollernden Laute erdrückt. Durch die stürmischen Attacken des Wassers auf die Felsen, werden Brocken abgesplittert und zur Weiterverarbeitung in die Steinmühlen verbracht. Grob gesagt gibt es zwei Versionen davon. Es gibt das Steinbett, mit sehr sanft gerundeten Beulen und Vertiefungen, auf dem die Massen bei Hochwasser vor und zurückgeschoben werden. Und dann gibt es da noch die Stein-Löcher und tiefe Mulden, die schon vor langer Zeit ausgemahlen und auf höherem Niveau gelegen, Gesteinsbrocken einfangen, und sehr widerstrebt sind, sie wieder gehen zu lassen.
Manchmal sind sie verblüffend tief und selbst zur Seite hin ausgehöhlt. Sobald die Flut kommt, beginnen die Mühlen ihre Steine zu rollen. Sie scheinen die starke Kraft des Brandungslevels zu brauchen. In tieferem Wasser bewegen sich die Steine nicht mehr; die Tiefe variiert mit der Stärke des Windes, der Fluthöhe, mit von entfernten Stürmen erzeugten Wellen und solcherlei Umständen. Auf dem Strand gleich hinter den Steinbetten, haben nahezu alle Objekte ein gewisses Maß an Rundheit. Die Größen bewegen sich zwischen großen Kieselsteinen und solchen von einer maximalen Länge von einem halben Meter. Das Limit setzt die durchschnittliche Kraft der Wellen. Natürlich gibt es auch einige gigantische Ausnahmen. Und Zeit gibt es hier im Überfluß.
Man wundert sich, ob der Abrieb zunähme, je runder der Fels würde. Rollt er einfacher, oder verliert das Wasser an Angriffsfläche? Sie sind so sanft und seidig diese gebändigten Monolithen. Sie haben menschliche Züge, nicht nur im physischen Sinne, sie sind nur einen Gedanken entfernt von Kontemplation. Mir war niemals klar gewesen, dass ein Felsen mehr sein kann als nur ein harter Platz.
Jan Ploeg, Fanore Wiese, 20. April 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
print versie