Dolphin Address 13
28. März 2005
Ich hatte nur eine einzige Nacht auf meiner Wiese. Als ich sie über die Funny Lane verlassen wollte, hatte der Regen den schon matschigen Boden derartig schlüpfrig gemacht, dass es mich eine halbe Stunde brillanter und bescheuerter Schlingermanöver kostete, bis ich die Reifen wieder auf festen Grund bekam. Mick brachte mich davon ab, Sand zu streuen, denn es wäre eine öffentliche Straße. Ich denke, ich werde im Dämmerlicht legales Gras säen. Das braucht eine Weile, ist aber einfacher. Inzwischen werde ich an meinem alten Platz in den Dünen Quartier beziehen.
Der Geschmack von Milch bringt meine Füße auf den Boden zurück. Etwas bewegt sich, das aussieht, wie ein Flügel. Eine tote Krähe vielleicht? Ich werfe einen Blick drauf, und natürlich ist es Plastik. Essbares würde hier nicht lange liegen.
Bridies Stimme erhebt sich um drei Oktaven in Ärger, als sie mir erzählt, es gäbe noch immer kein Wasser für die neue Pipeline. Der Vorschlag, die neuen aus dem alten Reservoir zu speisen, wäre abgewiesen worden. Die neuen Leitungen könnten kontaminiert werden. Es dämmert mir, dass die Menschen noch immer dieses Wasser trinken.
Es ist vielleicht die Spinne in mir, aber sobald ich in Irland bin, will ich hier, dort und einfach überall sein. So lade ich mir alle Kurven, Abstufungen, Schlaglöcher und andere mögliche Gefahrenstellen in meinen Autopilot. Erinnerungen tauchen auf wie der unter der Oberfläche verborgene Teil eines Eisberges. Unterwegs auf der Straße weide ich mich am Klang des Blues. Ein hoffnungsloser Neger singt, von nur einer Saite begleitet, er wäre am Morgen erwacht, und sein Baby war gegangen. Wohl bekannt.
Man hat ein Verkehrsschild mit maximal 80 kmh auf der Straße über den Slieve Elva aufgestellt. Am Eingang nach Lisdoonvarna. Nicht in Fanore. Es muß wohl für jene brillanten und verrückten Fahrer gedacht sein, denn ich bin noch niemals schneller als 60 kmh auf dieser steilen und sich windenden Straßen gefahren. Manchmal fühlt es sich an, als wäre ich hier erst vor einer Woche entlanggekommen. Vor dem Eisenwarenladen ließt man ein Mosaik: ´Sei ehrlich und fürchte Dich nicht´. Wie ermutigend. Gute Dinge können also auch wahr sein.
Lahinch wäre nicht Lahinch ohne einen Stau auf der Hauptstraße. Über die ganze Bucht halten weit gereiste Wellen Einzug ins Surferparadis. Indessen bin ich im Himmel, mit einer mit eiskaltem Wasser gefüllten Saugflasche, von innen kann es mir gar nicht kalt genug sein. Es gibt eine überraschend große Menge an Touristen. Die Felsen sind eben immer beliebt, aber ich wette, alle dachten es wäre wie ausgestorben. Es sind clevere Leute, die vorsichtig fahren und ihre BMWs, Audis und Mercs oft anhalten. Es ist die Saison der re-tired people, der Rentner mit viel Zeit.
Wie mit einem großen, flüchtenden, vorindustriellen Insekt fährt der Farmer seinen tuckernden Traktor von der Straße ab auf das Feld. Es ist von stämmigen Büschen umsäumt, die gelben Schmetterlingen gleiche Blüten tragen.
Da es heißt, Dusty wurde bei Spanish Point gesehen, was hinter Milton Malbay liegt, etwa 30 km von Fanore, mache ich mich auf den Weg dorthin. Ein schneidender Wind bläst mich fast vom kaum mehr sichtbaren Küstenweg. Meine Jacke könnte den Namen ´Splendid Isolation´ tragen.
Hohe Wellen schlagen mit donnernder Kraft gegen die Klippen, wo einst Teile der Spanischen Armada anlandeten. Hier brennt der Zorn des Ozeans. So sie auch ihre wütenden Wasser an den Riffen kühlt. Rollenden Kämme türmen sich hoch auf, der Wind lässt den Schaum auffliegen und den Rest auf meinem Diktiergerät unverständlich machen. Auf den Felsen bin ich vorsichtig wie ein alter Mann. Sie können so unvorhersehbar schlüpfrig sein, und ich weiß aus Erfahrung, dass es nicht so sehr das Fallen ist, aber die Landung, die beunruhigend schmerzvoll sein kann.
Bei meiner Wiese sah ich zwei Otter. Am nächsten Morgen zweimal zwei und dann einmal sechs Delphine. Benny Goodman spielt ´Swim, swim, swim´. Hoffnung ist die Droge des Kleinen Mannes.
Jan Ploeg, Fanore Dünen, 28. März 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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