Dolphin Address 12
24. März 2005
Gleich zu Anfang das Eine: Ich bin, wo ich sein will, auf meiner Wiese in Fanore.. Das mag die Spannung aus meiner Geschichte nehmen, aber sie gewinnt dadurch mehr an Ruhe.
Der Bus ist vollständig verwirrt, fahr rechts, fahr links, geh nach Osten, geh nach Westen. Es geht jetzt vorwärts nach Lucozade-Land, nur 1200 km, die zu bewältigen sind. Alles bewegt sich außer mir. Meine Augen haken sich in den Idioten vor mir.
Mein Besuch bei Roland Kanter war ein durchschlagender Erfolg, der in einem günstigen Erwerb DER ultimativen Monoflossen gipfelte. Meine Wahl ist äußerst persönlich und dann noch aus so vielen Dutzend. Die Monoflosse ist deutlich im Vorteil, wenn es um die Paarung mit dem Wasserflügel geht, obwohl ich denjenigen gewöhnliche Flossen empfehle, die eine Fußfesselphobie haben. Wenn Du Interesse an einer Monoflosse hast, dann sende am besten eine email an
rolandkanters@hetnet.nl.
Und dann war ich bei Van der Jagt in Capelle a/ IJssel, wo man nicht ein einziges Körpermaß ausließ, um mir einen Tauchanzug maßzuschneidern, wie ich ihn die letzten 12 Jahre genossen habe. Für eine Auswahl meiner preisgekrönten Werbesprüche verweise ich auf meine holländische Seite.
Man kann in Hoek van Holland in einer überdimensionierten, nach dem neuesten Stand erbauten, verlassenen Halle, in der nicht ein einziger Schalter bemenscht ist, auf die Fähre warten, aber ich dachte, ich gebe mich lieber meinem jährlichen Bücherbonus im gemütlichen Bus hin.
Auf der Stena Brittanica, die mich in der Nacht nach England bringen sollte, erwies sich meine neue Jacke als so warm, dass ich Angst hatte, den Feueralarm auszulösen. In der Schiffskabinentoilette wurden die Exkremente unter einem hinfortimplodiert und der Wasserhahn brachte nicht unbedingt Evian hervor. Dieses kam aus dem Automaten, der mit stählernem Ausdruck im Gesicht 2,20 Euro für einen halben Liter verlangte, was es natürlich umso köstlicher machte! Man kann hier so viel essen, wie man will und alles sieht so göttlich aus. Der Haken dabei ist, alles hat beinahe denselben Geschmack, nämlich nach nichts. Es muß eine sehr undankbare Arbeit sein, die Tische abzuräumen. Die Passagiere lassen ihre vollgestopften Teller mit mehr als der Hälfte stehen.
Die Fähre, die mit ihren elf Stockwerken eher an ein schwimmendes Hochhaus erinnert, hat sich am Ende der Nacht in die Arme von Harwich geschlichen. In Kürze werde ich meinen linken Ärmel hochkrempeln, um mich ans Linksfahren zu erinnern. Es ist besonders an den überfüllten Kreisverkehren gefährlich, da plötzlich alle von rechts kommen. An der Passport-Kontrolle dirigiert man mich auf einen mittlerweile völlig leeren Ausgang. ´Das ist also die Überholspur!´, und dem Zoll erzähle ich, ich käme, um mit Delphinen zu schwimmen. Vielleicht hätte ich doch die 782 Kilogramm Cokain einpacken sollen.
Glücklicherweise hatte ich alle wichtigen Städtenamen in mein Diktiergerät gesprochen. Das spart eine Menge nerviger Stops und Gewühle in Landkarten. Nach einigen Meilen erreiche ich das Dorf Wrabness, ein Name, der nur von John Grisham erträumt worden sein kann. Macht nichts, ich ziehe Kilometer den Meilen vor, so geht’s auch schneller voran. Bald fällt ein grauer Vorhang aus Wolken, die wie flusige Wasserbeutel aussehen und Fahrzeuge werden zu roten Augen in schmetternden Schauern.
Man braucht ein gutes Maß an Voraussicht auf dem Motorway. Ich fahre solange, bis meine Blase fast platzt und sehe mich dann nach der nächsten Tankstelle um. Von Water Orton an muß man Streckengebühren bezahlen, was mich störungsfrei um die Verkehrsmisere bei Birmingham herumleitet. Eine sehr sympathische Erpressung.
Eine tote Eiche streckt kahle Äste gen Himmel. In Llangollen erspähe ich rote Backsteinhäuser mit neugierig hervorspringenden Erkerfenstern. Wenn die Waliser Farmer sich nicht doch entschlossen hätten, Beine für ihre Schafe zu erfinden, würden sie allesamt die Berge herunterrollen. Ein Fetzen des schwarzen Landwirtschaftsplastiks sitzt auf einem Pfahl, seine Federn im Wind aufplusternd. Oder war es doch eine Krähe? Auf dem Berggipfel heult der Sturm um meinen Dachkoffer. Katzenaugen korrigieren rüttelnd meinen Weg. In Betsy-y-coed sehe ich noch immer das Telefon-Icon, wie es vergnügt auf der Tür der Telefonzelle tanzt, in der vor drei Jahren mir eine automatisierte Giro-Lady gerade rechtzeitig mitgeteilt hatte, dass mein Geld eingegangen war.
Erst als ich in Irland ankomme, steigt in mir dieses Inselgefühl auf. Selbst durch Dublin schaffe ich es in weniger als einer Stunde nach einem ausgedehnten Kreuzverhör eines Schiffsmaat. Ich genoß den süßen Geschmack des Triumphes nach der verzweifelten, vierstündigen Irrfahrt des letzten Males. An dem forschen Gang mit schwingenden Armen und pendelnden Beinen kann man sicher erkennen, dass die Reifen bereits irischen Boden berühren. Wie großartig, sich wieder in diese Kurven legen zu dürfen; Einssein mit dem Wagen. Nach langer Zeit endlich, liegt der Ozean vor mir wie ein gigantischer Atemzug. Weiter geht`s nicht, ich bin, wo ich sein will.
Jan Ploeg, Fanore Wiese, 24. März 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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