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14. Januar 2005
Auf der Windschattenseite einer Ligusterhecke zünde ich mir eine Selbstgedrehte an. Eine gefleckte Birke versucht ein Wohnhaus zu verbergen. Was gibt es dort hinter der Ecke? Unter der Brücke fliesst der Neuköllner Schifffahrtskanal. Zwei Schwäne zeichnen ein tiefes V. Das ist nicht das einzige Stück Natur, das der Bezirk Neukölln zu bieten hat. Im letzten Jahr sah ich ein Eichhörnchen in der großen Fichte in Verenas Innenhof. Vor einigen Tagen hüften zwei Eichelhäher über den Nachbarbalkon, und gestern versteckte sich ein Habicht in einem Baumbusch vor einer Horde Krähen.
Den Blick richtet man hier besser nicht auf den Boden, auf Zigarettenstummel oder Hundehaufen, es ist wirklich ein Chaos. Besser hinauf in die Bäume schauen, denn die gibt es hier im Überfluß.
Die Straßen erscheinen schmal, auf Grund der Häuser, die bis zu 4, 5 Stockwerken hoch sind, aber sie sind breiter als man annimmt, da es auch noch Bäume zu beiden Seiten gibt. Diese scheinen sich nicht im Entferntesten dafür zu interessieren, dass sie zum Licht wachsen sollten. Sie ästeln sich über die Straße und brechen die kantigen Formen der Häuser.
Balkone gibt es auf jeder Seite: Norden, Osten, Süden, Westen und alles dazwischen. Es hat den Anschein, dass frische Luft und ein schöner Ausblick Vorrang haben vor dem Sonnenlicht. Jetzt sehen sie irgendwie mehr aus wie Schubkästen, aber das kann auch am Winter liegen.
Der Gehweg ist hier oft eine Intarsienarbeit dieser kleinen Pflastersteinchen, die ich noch aus der Zeit kenne, da man drei Zuckerstangen für einen halben Pfennig kaufen konnte.
In Parks und auf Spielplätzen findet sich ein fast irischer Aufwand an Hinweisschildern, die hauptsächlich Verbote aussprechen. Mit etwas gemischten Gefühlen bemerke ich auch einige auf Türkisch.
Der Unterschied ist nicht so stark, aber wenn ich zum Beispiel ein elektrisch betriebenes Pissoir benutze, muß ich unweigerlich an die Rinne denken, die es in irischen Urinieranstalten gibt, wo man dazu gezwungen wird, so dicht es geht an der Urinierwand zu stehen.
Überall ist man Reklametafeln ausgesetzt. Nicht wirklich anders als in Holland aber noch viel eindringlicher und scheinbar massiver. Meine Medaille der Woche geht an Robby Williams, der sich wirklich überall sein Shirt vom Leibe reißt. Echt cool!
Jan Ploeg, Berlin, 14. Januar 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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